Projekt Aurum

Die ersten Gänse

Entlang dem Rand des Mondes

In Sicht gekommen…

Chora

Im Oktober des Jahres 2000 habe ich zwei sich gleichende Schalen getöpfert. Zwei Schalen aus dem Grund, falls eine davon den Schöpfungsakt nicht überstehen sollte.

Die Abhängigkeit eines Töpfers von der Kraft der Elemente macht demütig und es ist immer ein Zittern und Bangen bis zum Schluss, dem Augenblick, in dem man die Tür des Ofens öffnet. Dann offenbart sich, „gelungen“ oder „misslungen“.

Im Falle der beiden Schalengeschwister offenbarte sich nach dem Öffnen des Ofens ein grausiger Anblick. Beide Schalen waren mehrfach gerissen, alle Schönheit dahin, ein Zeugnis absoluten Misslingens. (Brennrisse, keine Abkühlrisse. Bei Brennrissen klingt die Schale noch, bei Abkühlrissen scheppert sie.) Alle Hoffnungen und Erwartungen, die ich in die Schalen gesetzt hatte, waren dahin. Eine große Enttäuschung legte sich still über die Dinge..

Eine Schale stellte ich trotzdem in meine Privatsammlung, die andere verschenkte ich.

In den nächsten Jahren kamen viele Besucher in mein Studio. Immer wieder kam, wenn sie die Schale entdeckten, der Ausspruch, „O, wie schade, die schöne Schale“. Ich erzählte dann immer etwas von der Vergänglichkeit der Dinge.

Fast 12 Jahre später stand ich wieder einmal vor der Schale und überlegte, ob ich mir nicht einfach eine neue Schale töpfern sollte, es wäre ein Leichtes. Wenn man, wie ich ein Gefühlsmensch ist, und für solch kleine Geschichten eine gewisse Art von Melancholie entwickelt und pflegt, träumt man erst einmal von dem „Unaussprechlichen“, in diesem Fall der Restaurierung der Schale. Aber wie sollte man so viele große und kleine Rissen noch reparieren? Es gäbe ja einige Möglichkeiten und was sollte schon passieren, denn es ist ja schon fast alles verloren.

Die einfachste Restaurierungstechnik ist das Ausfüllen der Risse mit Silikon oder Kunststoffen, die anschließend mit Goldbronze überstrichen werden. Eine aufwendigere Lösung - wie es in Japan praktiziert wird - wäre, die Risse mit einem Kunstharz zu verschließen und im noch feuchten Zustand des Harzes die Risse mit Goldpuder zu bestäuben.

Die aufwendigere Technik wäre die Restaurierung mit Metallen, wie Kupfer oder Silber. Die aufwendigste Art, der „Königsweg“, wäre die Restaurierung mit Gold.

Es hat einige Tage gedauert bis der Entschluss gefasst war, den „Königsweg“ zu wählen, schon allein der Schale wegen.

Mit dieser Entscheidung traten natürlich auch neue Probleme auf, z.B. wie viel Gold wird benötigt und was kostet es ? Ist es bei diesen langen Rissen technisch überhaupt machbar und wer kann solch eine komplizierte Restaurierung ausführen? Fragen über Fragen.

Gold wird seit Jahrtausenden für Schmuck oder rituelle Gegenstände verwendet. Gold zählt zu den edelsten Metallen, die der Mensch verarbeitet. Es ist ein Element der Natur und korrodiert nicht.

Da die Schale ein chinesisches Bildmotiv trägt, habe ich mich für Feingold entschieden. Die Farbe des Feingoldes ist sanft und edel. Es wurde schon im alten China als besonders hochwertig betrachtet.

Zum Restaurator :

Nach einiger Suche habe ich mich entschlossen, Herrn Kurt Wartenberg mit den Goldarbeiten zu beauftragen. Herr Wartenberg ist für seine äußerst präzisen und perfekten Arbeiten bekannt und verfügt über langjährige Erfahrungen im Umgang mit edlen Metallen. Da Herr Wartenberg in seiner Freizeit seit vielen Jahren auch Bonsai pflegt, fiel mir die Entscheidung, ihn mit den Arbeiten zu beauftragen, leicht.

Nun lief alles seinen Gang, die Restaurierung begann. Mitte Mai 2012 war es dann so weit und war das Werk vollendet.

Das Wort „Vollendung“ bekommt, wenn man diese Schale in den Händen hält, volle Bedeutung.

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Project Aurum

Project Aurum

The first brant
along the edge of the moon
have come into sight...
Chora

In October 2000 I made the same pot twice. Two pots in case one of them would not survive the act of creation. The potter's dependence on the power of the elements makes him humble and it always means trembling and worrying until the door of the kiln is opened. Then success or failure is revealed.

In the case of the two pot siblings a gruesome sight was disclosed after opening the kiln. Both pots were cracked several times, all the beauty was gone, an attestation of total failure. (Kiln cracks, no cooling cracks. With kiln cracks the pot still has a good sound when knocking on it, with cooling cracks it clangs.)
All hopes and expectations I had for these pots were lost. A great disappointment enwrapped things silently.

I put one of the pots into my private collection however and gave the other one away.
During the following years many visitors came to my studio. Again and again, when they discovered the pot they said: „Oh, what a pity, the beautiful pot!“
Then I always told them about the impermanence of things.
Almost 12 years later I stood in front of this pot once more and thought about the idea to make a new one like it, it would have been easy. If you are an emotional person like me and develop and cultivate a sort of melancholy and a taste for little stories like this, you dream of the ineffable thing, in this case the restoration of the pot.
But how could so many large and small cracks be repaired? There were a few possibilities and what would be at risk, when almost everything was already lost.
The most simple restoration technique would be to fill the cracks with silicone or plastic material and finally paint it with gold bronze.
A more intricate technique – which is used in Japan – would be to fill the cracks with synthetic resin and dust the moist resin with gold powder.
More complex is the restoration with metals like copper or silver.
The most expensive technique, the optimum, is the restoration with gold.
It took a few days until I decided to choose the optimum, for the benefit of this pot.
This decision caused new problems, like how much gold would be needed and what would that cost? Is it possible to use this technique on such long cracks and who can do such a complicated restoration? Lots of questions.
Gold has been used for jewellery and ritualistic objects for thousands of years.
Gold is among the most noble metals people work with. It is a natural element and it does not corrode.

As the pot is decorated with a Chinese picture motif, I decided to use fine gold. The colour of fine gold is gentle and noble. It was already highly appreciated in ancient China.

About the restorer:
After some search I decided to entrust Mr. Kurt Wartenberg with the gold work. Mr. Wartenberg is wellknown for his most precise work with noble metal. As he has been caring for bonsai as a hobby for years the decision was easy.
Now everything took its course and the restoration began. By the mid of May 2012 the work was completed.
The word completion gets its full meaning when you hold this pot in your hands.


Das misslungene Werk „Phönix in der Asche“

 

The failed work „Phoenix in the Ashes“

 

Erste Arbeiten mit Gold.

 

Für die Restauration der feinen und langen Risse schied die Gußtechnik insbesondere aus ökonomischen Gründen aus. Deshalb wurde das Feingold mit einem kleinen Hammer in die Risse getrieben. Das ist eine äußerst schwierige und „gefährliche“ handwerkliche Arbeit. Jederzeit kann die Schale zerspringen oder auch Abplatzungen können den Schaden verschlimmern.

 

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First work steps with gold.

For restoring the thin long cracks the casting technique was inapplicable especially for economic reasons. So the fine gold was driven into the cracks with a small hammer. This is a very difficult and „dangerous“ manual technique. The pot can break at any time or chipping can make the damage worse

Das Wort „Vollendung“ bekommt, wenn man dieses Werk in den Händen hält, volle Bedeutung.

 

Es ist wie der „Phönix aus der Asche“. Etwas vorher völlig Wertloses bekommt durch eine perfekte Restaurierung eine weitaus höhere Bedeutung.

 

Die zweite Ansicht.

 

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The word completion gets its full meaning when you hold this pot in your hands.

 

It is like „The Rise of the Phoenix“. Something worthless gains much higher value by the means of a perfect restoration. The second view.

 

In der Mitte des Bildes ist das Ende des Bodenrisses noch gut zu sehen. Philosophisch könnte man es auch so interpretieren: „Das Spiegelbild des Mondes in den Wellen des Wassers“.

 

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In the middle of the picture the end of the bottom crack is still clearly visible. Philosophically we could interpret this as „The reflection of the moon in waves of water“.

 

Auf der rechten Seite des Bildes hat sich noch eine Besonderheit ergeben: Direkt unterhalb der Wildgänse am Himmel hatte sich wahrscheinlich ein kleines Schamott- Körnchen gelöst und einen fast nicht sichtbaren Krater hinterlassen. Diese Stelle hat der Meister mit einem „Goldnugget“ geschlossen. Es ist unglaublich, auch hier zeigt sich die Restaurierung von ihrer schönsten Seite. Philosophisch betrachtet: „Der Aufstieg des Mondes unter den Wildgänsen“.

 

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On the right side of the picture there is something special: just below the brant in the sky a little particle of fireclay propably has gone off and left a barely visible crater. The master has mended it with a goldnugget. It is unbelievable, this is restoration at its best. Philosophical interpretation: „The rising moon below the geese“.

 

Die Innenseite der Schale nach der Restaurierung.

The inside of the pot after restoration

Und hier der absolut perfekte Abschluss der Restaurierung. Ein ca. 1,5 cm großes Kupferplättchen trägt die Initialen des Meisters „K W“

 

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And this is the most perfect finish of the restoration. A small copper plate of 1,5 cm with the initials of the master „K W“.

 

Auf der Rückseite des Plättchens wurde ein „Goldnugget“ eingearbeitet, in das eine Stempelmarke mit der Bezeichnung Au eingeschlagen wurde. Im Nugget steht das Wort „Aurum“ (Gold) und auf dem Plättchen die Zahl 999,9 (Feingehalt).

 

Das Kupferplättchen wurde wiederum mit einer handgeflochtenen Kordel an zwei Mammutstäbchen befestigt.

 

Technische Daten zur Schale:

 

Maße der Schale: 29 cm x 20,5 cm x 12 cm

 

Getöpfert im November 2000 – gebrannt bei ca. 1230°C – Glasurmalerei

 

Technische Daten zur Restaurierung:

 

8,7 g Feingold (999,9) für die Schale

 

1,0 g Nugget Feingold (999,9) für die Stempelmarke

 

Arbeitsstunden der Restaurierung: 46 Stunden

 

Text: Peter Krebs

 

Fotos: Kurt Wartenberg und Peter Krebs

 

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On the back side of the plate a goldnugget was insertet, in which a mark is engraved. On the nugget the word „Aurum“ (gold) is written and on the plate the number 999,9 (gold fineness).

 

The copper plate was tied to two mammoth sticks with a handbraided string.

 

Technical data of the pot:

 

Measurements: 29 cm x 20,5 cm x 12 cm

 

Made in November 2000 – fired at ca. 1230° C – glaze painting

 

Technical data of the restoration:

 

8,7 g fine gold (999,9) for the pot

 

1,0 g nugget fine gold (999,9)  for the mark

 

restoration hours of work: 46 hours

 

Text: Peter Krebs

 

Photographs: Kurt Wartenberg and Peter Krebs

 

Translation: Heike van Gunst